Es hat eine Weile gedauert, bis die wohl eklatanteste Lücke im Kader der Spurs geschlossen worden ist. Doch mit Pedro Porro hat Antonio Conte nun einen aufregenden Wing-Back im Team, der viele der so lang ersehnten Qualitäten auf den Platz bringen dürfte. Werfen wir einen Blick auf Werdegang, Spielweise, Stärken und Schwächen des Neuzugangs.
Die Fans begannen bereits nervös zu werden, doch um etwa 23 Uhr englischer Zeit verkündete Tottenham Hotspur auf ihrem Twitter-Account dann doch, was bereits seit gestern als bestätigt gelten durfte. Pedro Porro wechselt von Sporting CP zu den Lilywhites. Damit wurde ein zähes Hin und Her zu Ende gebracht, das viele Nerven kostete Reaktionen und hier nicht weiter aufgeschlüsselt werden soll.
Zur gleichen Zeit verlässt Matt Doherty nach zweieinhalb Jahren den Verein in Richtung Atletico Madrid. Wir wünschen ihm an dieser Stelle nur das Beste und werden in der kommenden Podcast-Folge sicherlich unsere Gedanken zu seiner Zeit bei den Spurs loswerden.
Werdegang: Von Spanien über Manchester nach Lissabon
Pedro Porro kam am 13. September 1999 in Don Benito in der wenig besiedelten Extremadura zur Welt. Seine Fußballkarriere begann zunächst in der Jugend von Rayo Vallecano und der U19 von Girona. Nachdem er in der Saison 2018/19 bereits mit 4 Vorlagen und 1 Tor die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, sicherte sich Manchester City den jungen Spanier für eine Summe von 12 Millionen Euro. Bei City konnte sich Porro nie wirklich festspielen – angesichts der dortigen Konkurrenz wenig verwunderlich. Zunächst wurde er an Real Valladolid und in der Saison 2020/21 für zwei Jahre an Sporting CP ausgeliehen, an die ihn Manchester City dann für 8,5 Millionen Euro fest verkaufe. Dabei sicherte sich der englische Verein allerdings eine Rückkaufoption.
Insbesondere in Lissabon machte Porro nachhaltig von sich reden. In seiner ersten Saison beim portugiesischen Verein wurde Sporting Meister und der junge Spanier steuerte dazu 3 Tore und 2 Vorlagen bei. Die darauffolgende Spielzeit schloss Porro bereits mit 5 Toren und 4 Assists ab, darunter auch ein Treffer in der Champions League beim Sieg gegen Borussia Dortmund. In der aktuellen Saison konnte er seinen Scoring-Output soweit noch steigern: in der Liga Bwin und der Champions League sind 2 Tore und 7 Vorlagen zu verzeichnen.
Es ist kein Wunder, dass diese Leistungen den europäischen Topclubs nicht verborgen geblieben sind. Entsprechend hat nicht nur Tottenham Hotspur seit einigen Monaten um den Spieler geworben – auch für Clubs wie Barcelona, Real Madrid, Juventus Turin und Chelsea soll Porro interessant gewesen sein.
Stärken: Gefahr vom Flügel durch Flanken und Dribblings
Unter Sportings Coach Rúben Amorim wurde Porro stets als rechter Wing-Back eingesetzt, der bei eigenem Ballbesitz einen großen offensiven Beitrag zu leisten wusste, sich bei gegnerischem hingegen hingegen in die Fünferkette zurückfallen ließ. Es ist bekannt, dass Antonio Conte von seinen Spielern sehr genaue taktische Aufgaben erwartet und das gilt umso mehr für die laut ihm schwierigste Position des Wing-Backs. Sie müssen – unter anderem – eine ordentliche Balance zwischen defensiven und offensiven Pflichten finden, für den Aufbau das Spiel breit machen, 1-gegen-1-Fähigkeiten mitbringen und selbst in den gegnerischne Strafraum einzudringen oder per Flanken für gefährliche Situationen sorgen. Zugleich wird von ihnen gutes defensives Bewusstsein gefordert, bei Ballverlust den Gegner zu pressen, Läufe mitzugehen, sich schnell zurückfallen zu lassen und als Außenverteidiger der Fünferkette aktiv zu verteidigen.
Beim Blick auf Pedro Porros Heatmap der laufenden Saison kann man sehen, dass es ihn immer wieder in die gegnerische Hälfte treibt. Von seinen Ballberührungen erfolgen beinahe die Hälfte im gegnerischen offensiven Drittel. Auf der rechten Flanke Sportings schafft er es immer wieder mit seiner schnellfüßigen Spielweise in offene Räume vorzustoßen. Oft erhält er den Ball im defensiven oder mittleren Drittel und treibt diesen dann noch vorne. Eine seiner großen Stärken ist die Qualität seiner sehr variablen Flanken: pro 90 Minuten schlägt er etwa 9 Flanken und davon gut 1,16 in den Strafraum. Dabei geht er teils bis zur Grundlinie durch, um von dort seine Mitspieler zu finden, zieht aber auch oft ins Innere, um von den Halbräumen aus frühe Flanken in die Spitze zu schlagen.
Dabei kommt ihm auch sein ausgezeichnetes Dribbling-Niveau zugute. Er überwindet seine Gegenspieler in 1-gegen-1 Situationen, um dann lange Bälle in die Box zu bringen oder auch durch Distanzschüsse den Keeper selber zu testen. Seine Flankenpräzision könnte mit einem Wert von 23% gewiss verbessert werden, selbst wenn andere Flügelverteidiger wie Reece James oder Trent Alexander-Arnold hier nur geringfügig bessere Zahlen aufweisen. Vergessen werden sollte nicht, dass eine Flanke auch zu gefährliche Situationen führen kann, wenn sie keinen direkten Abnehmer findet.
Immer wieder zieht es Pedro Porro auch selbst in den gegnerischen Strafraum – für Sporting in der laufenden Saison ganze 67 Mal. Dort ermöglicht er seinen Mitspielern dann mittels Cut Backs oder intelligenter Pässe Abschlüsse aufs Tors. Sein Passspiel ist zwar grundsätzlich ausbaufähig, aber seine 2,28 Schlüsselpässe pro Partie weisen auf seine kreativen Qualitäten in diesem Bereich hin. Der Anteil seiner abgeschlossenen langen Pässe liegt bei 44,9%. Hervorzuheben ist auch sein starker linker Fuß, der ihm eine große Reichweite an Passoptionen gewährleistet.
Dementsprechend ist sein bemerkenswerter offensiver Output nicht verwunderlich: Pro 90 Minuten gelingen ihm etwa 0,12 Nicht-Elfmetertore, 0,35 expected Assists (xA), 4,84 schusserzeugende Aktionen und 0,72 Schüsse aufs Tor. Für Sporting kreierte er in der portugiesischen Liga in dieser Saison 8 Großchancen.
Pedro Porro ist sicherlich nicht der schnellste Flügelverteidiger der Welt, seine Top-Geschwindigkeit betrug in der Champions League etwa 33,1 km/h. Jedoch ist der in der Lage, gegnerischen Spielern durch seinen Antritt in Bredouille zu bringen und in offene Räume vorzustoßen. Damit erlaubt er Sporting immer wieder aussichtsreiche schnelle Angriffe. Ein Beispiel seiner Qualitäten liefert der finale Treffer zum 3:0-Erfolg Sportings gegen Eintracht Frankfurt im September letzten Jahres:
Porro erhält den Ball im mittleren Drittel, nimmt an der rechten Seitenlinie Fahrt auf und lässt durch seine gute Beschleunigung Borre und Pellegrini stehen, die ihn aufhalten wollen.
Er verzögert, um die Situation zu eruieren und sieht dabei die Möglichkeit, einen langen Ball in den Strafraum zu schlagen, in den Nuno Santos gerade zwischen Jakic und Tuta eindringt.
Santos kann die exzellent temperierte Flanke verwerten und schiebt den Ball an Trapp vorbei ins Tor.
Schwächen: Defensive Verantwortung
Wie oben bereits beschrieben sind die defensiven Pflichten eines Wing-Backs nicht zu vernachlässigen. Das gilt umso mehr für Contes System, was die für die meisten Fans unerklärlich häufigen Entscheidung für Emerson Royal erklärt.
In diesem Bereich bestehen bei Porro ohne Zweifel einige Defizite. Während Amorim zumeist den Ballbesitz dominieren möchte, hat Conte keine Probleme damit, dass sich seine Spieler in bestimmten Partien zurückziehen und dem Gegner das Spiel überlassen, um dann bei Ballgewinn in offene Räume vorzustoßen. Daher kommt auf Pedro Porro nun eine erheblich größere Verantwortung in der Verteidigung zu als das zuvor der Fall gewesen ist – gerade in Anbetracht des großen Qualitätsgefälles innerhalb der Primeira Liga und zwischen Primeira Liga und Premier League.
Insgesamt zeichnet sich Porro nicht durch die beste defensive Wahrnehmung sowie durch ein gewisses Maß mangelnder Entschlossenheit und Konzentration aus. So neigt er teilweise dazu, seine ihm zugewiesenen Gegenspieler zu verlieren. Was Porro den gegnerischen Verteidigern im 1-gegen-1 auf der einen Seite des Feldes an Problemen zu bereiten pflegt, kennt er aus auf der anderen Seite des Feldes aus der Sicht des Verteidigers selbst zur Güte. Bei den Themen Zweikämpfe und Kopfballduellen besteht einiger Verbesserungsbedarf, hier gewinnt er jeweils nur gut die Hälfte seiner Duelle. Gerade bei Angriffen über die Flügel könnte Tottenham also möglicherweise in der Zukunft Probleme bekommen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit der ebenfalls mit einigem Offensivdrang ausgestattete Cristian Romero aushelfen kann oder die Lage eher noch verschärft. Gleichzeitig hat Conte mit Emerson einen Option, die zwar nach vorne hin wenig anbietet, allerdings dafür bei gegnerischen Ballbesitz defensive Stabilität bietet.
Ein weiteres Fragezeichen muss durch Contes ungewisse Zukunft beim Verein entstehen. Es ist völlig ungewiss, ob der Italiener ab Sommer weiterhin Coach der Spurs sein wird. Die Zeichen standen in den letzten Wochen sogar eher auf Abschied. Sollte jemand den Trainerposten übernehmen, der mehrheitlich ein System mit Viererkette spielen lassen wollen würde – wo ließe dies Porro als (ausgezeichneten) Wing-Back? Zwar hat der junge Spanier gerade zu Beginn seiner Karriere auch als Right Back gespielt – aber inwieweit er ob seiner offensichtlichen Qualitäten und etwaigen Mängel auf ein System mit Fünferkette angewiesen sein könnte, wird abzuwarten sein. (Ähnliches gilt übrigens auch für das im letzten Sommer verpflichtete Talent Destiny Udogie.) Sicherlich lassen sich aber auch für diese Schwierigkeiten taktische Lösungen finden.
Fazit: Das fehlende Puzzlestück?
Mit Pedro Porro konnten die Spurs einen Spieler verpflichten, der zu Recht als einer der am heißesten gehandelten Flügelverteidiger Europas gilt. Seine vielfältigen Stärken im Angriff – insbesondere durch Flanken und Dribblings – müssten uns in dieser bisher so schwierigen Saison enorm weiterhelfen. Sowohl in Umschaltmomenten als auch beim Spiel gegen tiefstehende Gegner wird uns der 23-Jährige sehr gute Dienste tun. Seit Contes Amtsantritt war es offensichtlich, dass es mit Emerson Royal und größtenteils auch mit Matt Doherty enorm an Qualität auf der Position des RWBs mangelte. Diese eklatante Lücke ist nach nun zwei Transferfenstern endlich adäquat geschlossen worden. Gerade die Kombination zwischen Porro und Kulusevski könnte sehr interessant werden. Fraglich bleibt Porros defensiver Standard und das ist keine unwichtige Frage, sind wir doch so schon in diese Saison mehr als anfällig für Gegentore. Es wird die Aufgabe Contes und des Trainerteams sein, diese möglichen Schwächen auszubalancieren.