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Ist die Saison jetzt vorüber? Der Kampf um die Top 4.

Nach der bitteren Niederlage gegen Manchester United am Samstag und dem überzeugenden Sieg Arsenals gegen Leicester scheint ein Top-4-Finish in dieser Saison erneut in weite Ferne gerückt zu sein. Doch bleibt wirklich keine Hoffnung? Eine Analyse.

In den letzten Monaten konnte man den Eindruck gewinnen, dass es dem erfolgsgewöhnten Antonio Conte nicht behagte, über seine Ziele mit Tottenham Hotspur zu reden. Der Verein habe ihm keine Vorgaben gestellt und es gehe lediglich darum, die bestmögliche Ligaposition zu erreichen. Im Anschluss an den fulminanten 5:0-Sieg gegen ein völlig überfordertes FC Everton stellte Conte nun doch deutlich klar, was er mit Tottenham in der Restsaison erreichen wolle: „You know, I don’t like to speak about ambition and reaching a place in the Champions League because I like to play to win the league and win trophies, but in this situation this could be our Champions League, our Premier League title if we are able to reach fourth place.“ 

Das Spiel gegen Manchester United war dabei besonders entscheidend, handelt es sich doch um einen direkten Konkurrenten um die Champions-League-Plätze, der zudem in der letzten Zeit ziemlich durchwachsene Leistungen zeigte. Mit einem Sieg hätten die Spurs einen deutliches Zeichen setzten und auf den sechsten Tabellenplatz vorrücken können. Nach der 2:3-Niederlage am Samstag und dem 3:0-Sieg Arsenals gegen Leicester City, ist ein Top-4-Finish wesentlich unwahrscheinlicher geworden. Fast hat es den Anschein, als könnte das von Conte erst vor einer Woche so deutlich formulierte Ziel bereits abgeschrieben werden. Doch stimmt das wirklich? Wir wollen die verbleibenden Spieltage der Lilywhites und ihrer Rivalen um den vierten Platz vergleichen und eine Prognose über mögliche Ausgänge der Saison liefern.

Wo stehen die Teams?

Die Plätze 1 bis 3 scheinen mit nahezu absoluter Sicherheit festzustehen. Der Titelkampf wird zwischen Manchester City und FC Liverpool ausgefochten. Dahinter steht mit sieben Zählern Rückstand FC Chelsea mit geringer Chance, noch in die Meisterschaft eingreifen zu können. Mit FC Arsenal, Manchester United, West Ham United, den Wolverhampton Wanderers und Tottenham Hotspur haben hingegen gleich fünf Vereine gewisse aussichtsreiche Chancen auf den vierten Platz der Premier League. 

Die pandemiebedingten Ausfälle der letzten Monate haben bekanntlich eine etwas unübersichtliche Tabellensituation geschaffen, die den Vergleich der Vereine erschwert. Während Manchester United, West Ham und die Wolves in dieser Saison bereits 29 Matches absolvierten, haben die Spurs nur 27 und Arsenal sogar erst 26 Partien bestritten. Mit zwei Siegen könnte Woolwich somit theoretisch auf zwei Punkte an Chelsea heranrücken und wenn Tottenham seine Nachholspiele gewinnt, stände man auf dem fünften Platz. Aktuell ergibt sich folgendes Bild:

Wir wollen uns die vier Konkurrenten der Spurs um die Top 4 einmal genauer anschauen:

Arsenal

Leider stehen die Chancen für Arsenal aktuell am besten, sich für die Königsklasse zu qualifizieren. Die Gunners haben erst 26 Begegnungen hinter sich und stehen mit 51 Punkten trotzdem auf dem vierten Tabellenplatz. Der formstarke Rivale konnte dabei alle 5 seiner letzten Partien für sich entscheiden. Darunter waren vor allem schwächere Gegner wie FC Brentford, FC Watford und auch Leicester City, die in der laufenden Saison in der Verteidigung eklatante Schwächen zeigen. Der Sieg gegen FC Watford war außerdem für Woolwich ein recht glücklicher Sieg. Dennoch muss man sagen, dass Arsenal aktuell einen meist überzeugenden, attraktiven Fußball spielt. Nach einem sehr schwachen Start in die Saison mit deutlichen Niederlagen gegen Brentford, Chelsea und vor allem Manchester City und Liverpool, hat sich das Team von Mikel Arteta gefangen und zeigt insbesondere in 2022 beeindruckende Leistungen. Es spricht also vieles für Tottenhams Konkurrenten aus Nordlondon. Es ist eine doppelt unangenehme Vorstellung für jeden Spurs-Fan, dass Arsenal Ende Mai nicht nur vor Tottenham stehen, sondern in der kommenden Saison auch noch in der Champions League vertreten sein könnte.

Manchester United

Vor Beginn der Saison sahen Manchester United viele zweifellos als ein Kandidat fürs Titelrennen. In der vorigen Saison noch Tabellenzweiter, hatte sich der Verein mit Jadon Sancho, Raphaël Varane und Cristiano Ronaldo scheinbar ausgezeichnet verstärkt. Zwar war Trainer Ole Gunnar Solskjær weiterhin mit einem großen Fragezeichen versehen, doch der schnelle Absturz der Red Devils mit krachenden Niederlagen gegen Leicester, Liverpool, ManCity und Watford kam doch recht überraschend. Unter Interimstrainer Ralf Rangnick sind die Leistungen zwar etwas besser geworden, doch wirklich überzeugen konnte United bisher noch nicht. Inzwischen zeigt sich, dass der Kader tatsächlich relativ unbalanciert ist. Gerade in der Verteidigung und im Mittelfeld sind die Schwächen offensichtlich. Hinzu kommt die ständige Unruhe durch Gerüchte aus der Kabine, unzufriedenen Spielern und noch unzufriedeneren Fans. So spielte man zuletzt gegen Southampton und Watford nur unentschieden, die 1:4-Niederlage gegen Stadtrivalen Manchester City stellte einen weiteren Tiefpunkt dar. Der Sieg gegen Tottenham hat das Team von Rangnick nun kurzzeitig etwas beruhigt, die Leistung war am Samstag hingegen nicht sonderlich beeindruckend. United hat bereits 29 Partien absolviert und damit neun Matches vor sich – hinzu kommen noch die Spiele in der Champions League. 

West Ham United

West Hams Formkurve ist aktuell unbeständig. Von den letzten fünf Spielen konnten nur zwei gewonnen werden. Der Verein aus dem East End war in der laufenden Saison mit Siegen gegen Tottenham, Liverpool und Chelsea auf einem recht guten Weg, jedoch schlagen zuletzt Niederlagen unter anderem gegen die Saints, Leeds und Liverpool und Remis gegen Leicester und Newcastle nicht unerheblich ins Gewicht. Dennoch ist für die Hammers in den verbleibenden neun Premier-League-Spielen noch vieles möglich, vor allem wenn die enorm wichtigen Spiele gegen die Spurs, Arsenal und Chelsea gewonnen werden könnten. Mit Declan Rice steht ein großes Talent im defensiven Mittelfeld und Jarrod Bowen traf bisher nicht nur acht Mal, sondern legte auch zehn Tore auf. Stürmer Michail Antonio war zu Beginn der Saison ein verlässlicher Schütze. In den letzten Wochen konnte der Engländer mit jamaikanischen Wurzeln die beeindruckenden Leistungen allerdings nicht mehr zeigen: sein letztes Ligator machte er am 1. Januar im etwas glücklichen Sieg gegen Crystal Palace. Sie haben keine ausgefallenen Spiele nachzuholen, jedoch stehen die Hammers zusätzlich noch im Achtelfinale der Europa League. 

Wolverhampton Wanderers

Die größte Überraschung im Rennen um Top 4 stellen mit Sicherheit die Wolverhampton Wanderers dar. Nach einer eher enttäuschenden letzten Saison unter Trainer Nuno Espírito Santo, die auf dem dreizehnten Tabellenplatz abgeschlossen wurde, zeigt der Verein mit dem neuen Coach Bruno Lage durchaus beeindruckende Leistungen. Dabei scheint der Portugiese, der im Juni 2021 von Benfica nach England wechselte, an einer bewährten Spielphilosophie festzuhalten, die auf einer soliden Defensive fußt. So verdanken die Wolves ihren aktuell siebten Platz in der Premier League vor allem den wenigen Gegentoren, die man sich durch eine starke Verteidigung um Maximilian Kilian, Nelson Semedo, Romain Seiss und Conor Coady und insbesondere durch den überragenden Keeper José Sa bisher eingefangen hat. Offensiv tut sich das Team aus Wolverhampton dagegen schwer, trotz der durchaus interessanten Spieler im Angriff. Nur Brighton, Burnley und Norwich haben in dieser Saison weniger Tore geschossen als die Wolves. 
Aktuell steht man nach 29 Spielen noch vor den Spurs auf dem siebten Platz. Nach Siegen gegen Manchester United und Tottenham Hotspur zeigen die aktuellen Ergebnisse jedoch eher nach unten. So gewann man zwar die letzten beiden Partien gegen die schwachen Gegner Watford und Everton – zuvor hatten die Wolves allerdings drei Mal in Folge verloren.  

Was sagt die Statistik? 

Die Website FiveThirtyEight liefert eine probabilistische Vorhersage der Tabellenposition am Ende der Saison. Laut dieser Prognose liegt die Wahrscheinlichkeit, am Ende der Premier League zum 22. Mai auf dem vierten Platz der Premier League zu stehen, für Arsenal bei 62%. Dahinter kommt Tottenham Hotspur mit einer 15%-igen, Manchester United mit einer 11%-igen und West Ham mit einer 3%-igen Wahrscheinlichkeit, sich für die Champions League zu qualifizieren. Den Wolverhampton Wanderers wird hingegen lediglich eine Wahrscheinlichkeit <1% für einen Top-4-Finish zugesprochen. Auch hier zeigen sich also durchaus positive Aussichten für Arsenal.

Mithilfe statistischer Maße wie der erwarteten Tore (expected Goals, xG) und erwarteten Gegentore (expected Goals Against, xGA) lassen sich Aussagen darüber treffen, ob Teams mit ihren Ergebnissen (un-)glücklich gewesen sind und entsprechend over- bzw. underperformed haben. Anhand der Differenz von expected Goals und expected Goals Against lässt sich die erwartete Punktzahl (xPTS) errechnen. Basierend auf den Chancen, die ein Team für sich selber kreiert und den Chancen, die ein Team dem Gegner einräumt, kann man Fußballteams nach ihren (guten) Performances klassifizieren – unabhängig davon, ob die jeweiligen Teams diese Leistungen tatsächlich in Punkte verwandeln konnten. Je größer der Unterschied zwischen tatsächlichen und erwarteten Punkten, desto eher war Glück bzw. Unglück bei der konkreten Platzierung eines Teams im Spiel. Wir können anhand dieser Werte beurteilen, ob die Vereine ihrer realen Tabellenplatzierung entsprechend performt haben. Dabei muss man in der aktuellen Tabellensituation bedenken, dass diese statistischen Maßzahlen durch die unterschiedliche Anzahl absolvierter Spiele verzerrt ist:

Alle Teams des oberen Tabellendrittels überperformen ihre erwarteten Punkte. Manchester City etwa weist aktuell 69 Punkte vor, anhand ihrer xGs und xGAs wären aber nur 66,33 Punkte zu erwarten gewesen wären. Deutlich größere Unterschiede zwischen erwarteten und realen Punkten weisen hingegen Chelsea, Arsenal und Manchester United auf. Basierend auf ihren kreierten und zugelassenen Chancen hätte Arsenal also eigentlich um die 6 Punkte weniger, also 44,76 statt 51 Punkte. Dies zeigt uns, dass Arsenal mit ihren Ergebnissen vielleicht relativ glücklich gewesen sind. Ein noch sehr viel deutlicheres Bild ergibt sich bei den Wolves, die aktuell 46 Punkte haben – basierend auf erwarteten Toren und Gegentoren hätte man jedoch nur mit 35,29 Punkten zu rechnen. In der Tabelle rutschen sie damit auf den 12. Platz ab. 

Tottenham zählt im Moment 45 Punkte, im Expected-Points-Modell hingegen 43,41 Punkte. Das bedeutet, dass auch die Spurs etwas overperformen und in der ein oder anderen Partie etwas glücklich gewesen sein könnten. Allerdings ist diese Overperformance im Vergleich zu Manchester United und Arsenal weniger eklatant. Eventuell kann in den verbleibenden Spielen damit gerechnet werden, dass Teams wie Arsenal, Manchester United und die Wolves von ihrem bisherigen Glück verlassen werden und sich ihre tatsächlichen und erwarteten Punkte stärker angleichen. Dies wäre sicherlich sehr vorteilhaft für die Spurs.

Wie sieht das Restprogramm aus?

Arsenal: 
16. März: Liverpool (H)
19. März: Aston Villa (A)
2. April: Crystal Palace (A)
9. April: Brighton (H)
16. April: Southampton (A)
23. April: Manchester United (H)
30. April: West Ham (A)
7. Mai: Leeds (H)
15. Mai: Newcastle United (A)
22. Mai: Everton (H)
TBA: Chelsea
TBA: Tottenham Hotspur

Manchester United:
20. März: Liverpool (A)
2. April: Leicester (H)
9. April: Everton (A)
16. April: Norwich (H)
23. April: Arsenal (A)
30. April: Brentford (H)
7. Mai: Brighton (A)
15. Mai: Chelsea (H)
22. Mai: Crystal Palace (A)

West Ham:
20. März: Tottenham (A)
2. April: Everton (H)
9. April: Brentford (A)
16. April: Burnley (H)
23. April: Chelsea (A)
30. April: Arsenal (H)
7. Mai: Norwich (A)
15. Mai: Manchester City (H)
22. Mai: Brighton (A)

Wolverhampton Wanderers:
16. März: Leeds (H)
2. April: Aston Villa (H)
9. April: Newcastle United (A)
16. April: Manchester City (H)
23. April: Burnley (A)
30. April: Brighton (H)
7. Mai: Chelsea (A)
15. Mai: Norwich (H)
22. Mai: Liverpool (A)

Tottenham Hotspur:
16. März: Brighton (A)
20. März: West Ham (H)
2. April: Newcastle United (H)
9. April: Aston Villa (A)
16. April: Brighton (H)
23. April: Brentford (A)
30. April: Leicester (H)
7. Mai: Liverpool (A)
15. Mai: Burnley (H)
22. Mai: Norwich (A)
TBA: Arsenal

Der ESPN’s Soccer Power Index (SPI) liefert eine Schätzung der allgemeinen Stärke eines Fußballteams. Jeder Verein erhält dabei einmal ein offensives Rating, das die Anzahl von Toren angibt, die zu erwarten wäre, wenn dieses Team an einem neutralen Ort gegen ein durchschnittliches Team spielen würde. Im Kontrast repräsentiert das defensive Rating die Anzahl der zugelassenen Gegentore, die bei diesem Team zu erwarten wären. Daraus ergibt sie ein allgemeiner SPI-Wert, der als statistische Annäherung an die Stärke eines Teams angesehen werden kann und den wir nutzen können, um das Restprogramm der fünf Teams in dieser Saison zu bewerten. 

In rot sind die jeweiligen SPI-Werte der kommenden Gegner der Spurs angegeben: 
16. März: Brighton (A) – 74,6
20. März: West Ham (H) – 74,3
2. April: Newcastle United (H) – 66,7
9. April: Aston Villa (A) – 76,7
16. April: Brighton (H) – 74,6
23. April: Brentford (A) – 67,1
30. April: Leicester (H) – 69,8
7. Mai: Liverpool (A) – 92,8
15. Mai: Burnley (H) – 64,4
22. Mai: Norwich (A) – 53,0
TBA: Arsenal (H) – 82,2


Werden diese Werte aufaddiert und durch die Anzahl der Partien dividiert, ergibt sich die durchschnittliche Stärke der Gegner, gegen die Tottenham noch zu spielen hat: Dieser Wert beträgt in diesem Falle 72,38. 

TeamAverage Soccer Power Index
Arsenal75
Wolverhampton Wanderers74,77
West Ham United74,23
Manchester United73,93
Tottenham Hotspur72,38

Tottenham hat das statistisch leichteste Restprogramm der Konkurrenten um Platz 4, Arsenal hat hingegen die durchschnittlich schwierigsten Gegner. Dabei muss man jedoch bedenken, dass in diese Werte nicht eingerechnet wurde, dass Ergebnisse natürlich davon abhängen, ob zu Hause oder auswärts gespielt wird. Nichtsdestotrotz hat gerade Arsenal mit den Matches gegen Chelsea, Liverpool, West Ham und den Spurs zweifellos ein besonders hartes Programm. Es ist davon auszugehen, dass auch die so formstarken Gunners in den kommenden Wochen ins Straucheln kommen. So wartet am Mittwoch bereits Liverpool. 

Für Tottenham Hotspur kommt es jetzt natürlich darauf an, die unbeständigen Vorstellungen der letzten Wochen durch ein möglichst konstant gutes Auftreten zu ersetzen und im besten Falle endlich mehrere aufeinanderfolgende Spiele zu gewinnen. Zugleich muss darauf gehofft werden, dass die anderen Teams um die Lilywhites herum entweder ihre durchwachsenen Leistungen beibehalten oder ihr aktuelles Momentum verlieren. Mit der Niederlage gegen Manchester United haben es sich die Spurs unnötig schwer gemacht – doch völlig unerreichbar ist Contes deklariertes Ziel damit noch nicht geworden. Gerade das Spiel zu Hause gegen die Hammers am kommenden Samstag, ist ein erneutes 6-Punkte-Spiel. Noch immer spricht Einiges dafür, dass die Saison besser enden könnte, als man es zwischendurch zu hoffen gewagt hatte. It ain’t over till it’s over.