Die Spurs starten mit einem überzeugenden 4:1-Erfolg in die neue Saison und machen aus verschiedenen Gründen Lust auf mehr!
Wenn man uns Spurs-Fans Ende Mai erzählt hätte, dass am ersten Spieltag der Saison 2022/23 kein einziger Neuzugang in der Startelf stehen und es abgesehen vom wieder genesenen Cuti Romero die gleiche Mannschaft sein würde, die am letzten Spieltag der vergangenen Saison gegen Norwich auf dem Platz stand, hätten wohl direkt einige ihre Mistgabeln und Fackeln rausgekramt und wären zur Spurs-Geschäftsstelle marschiert, um ein freundliches Gespräch mit Daniel Levy zu führen.
Dass dies aber eine aktive Entscheidung Antonio Contes war, da er zu Beginn der Saison seinem alten Personal mehr vertraut als den Spielern, mit denen erst seit ein paar Wochen zusammenarbeitet, hätte wohl kaum jemand für möglich gehalten. Doch der Spurs-Coach behielt Recht!
Das komplette Team lieferte eine fantastische Leistung ab und ließ keinen Zweifel daran, wer dieses Spiel als Sieger verlässt. Selbst nach dem frühen Rückstand durch Southamptons Kapitän James Ward-Prowse kam keine Unruhe auf. So traf man neun Minuten später auch zum 1:1-Ausgleich und gab das Spiel danach nie wieder aus der Hand, sodass am Ende selbst ein noch höherer Sieg möglich gewesen wäre.
Macht Ryan Sessegnon den nächsten Schritt?
Einen großen Anteil am Auftaktsieg der Spurs hatte am vergangenen Samstag Ryan Sessegnon. So stellte der junge Engländer das Spiel nach dem frühen Rückstand schnell auf 1:1 und erzielte damit sogar sein erstes Premier-League-Tor für Tottenham. Die Spannung, die dabei abgefallen sein muss, konnte man dem Flügelverteidiger bei seinem leidenschaftlichen Jubel förmlich ansehen.
Ein Tor, das als Brustlöser dienen könnte. Denn auch wenn Sessegnon in der Rückrunde der vergangenen Saison auf immer mehr Spielzeit kam und letztendlich auch gesetzt war, hatte man stetig das Gefühl, dass doch mehr möglich wäre, als er Spiel für Spiel zeigte. So wird die Spielzeit 2022/23 eine absolut entscheidende Saison seiner Karriere werden. Denn er muss jetzt den nächsten Schritt machen und sein eigenes Spiel auf eine neue Stufe hieven. Die Umstände dafür könnten auch nicht günstiger sein. Nicht nur, dass er auf seiner präferierten Position des Left-Wingbacks spielt und mit Antonio Conte den perfekten Trainer dafür hat, sondern er hat zudem mit dem neuverpflichteten Kroaten Ivan Perisic einen Lehrmeister, von dem er sich einiges abschauen könnte. Doch wenn man nur das erste Spiel bewertet, kann man guter Dinge sein, dass Ryan Sessegnon in dieser Saison den nächsten Schritt macht. So war seine Leistung gegen die Saint wohl die beste Performance, die er in einem Spurs-Trikot bisher zeigen konnte.
Kulusevksi macht dort weiter, wo er aufgehört hat!
Der einzige Spieler auf dem Platz, der ein noch besseres Spiel machte als Ryan Sessegnon war der ♫Ginger from Sweden♫ Dejan Kulusevski. Ein Tor, eine Vorlage und insgesamt eine unfassbar erwachsene Leistung des jungen Schweden. Grundsätzlich kommt es nicht überraschend, dass Kulusevski zwei Scorer bei einem 4:1-Erfolg beisteuert, aber man konnte zumindest kleine Zweifel daran haben, dass er seine unfassbare Quote aus der vergangenen Saison beibehält. Begründet waren diese Sorgen allerdings nur darin, dass er sowohl seine expected goals, als auch seine expected assists bei den Spurs bisher deutlich überbot. So kam er in der vergangenen Rückrunde auf 13 Scorer, während er bei addierten xG und xA tatsächlich nur auf einen Wert von 7,17 hatte.
Das Überbieten der eigenen xG und xA bedeutet aber nicht gleich, dass der Spieler wahnsinniges Glück hätte und sich diese Zahlen wieder angleichen werden. So kommen Topspieler sehr häufig auf Werte, die deutlich über den erwarteten Scorern liegen. Harry Kane hatte so bis zur vergangenen Saison immer mehr Tore als ein xG-Wert erwarten ließ. Der Weg zu den Topspielern der Premier League scheint für Dejan Kulusevski aber nicht nur aufgrund seiner Tore und Vorlagen nicht mehr weit zu sein. So ist die größte Stärke des Schwedens eben nicht sein grandioser linker Fuß, sondern seine Fähigkeit in den allermeisten Momenten die richtige Entscheidung zu treffen. Etwas dass für junge Spieler wesentlich wichtiger ist als rohes fußballerisches Talent. So wird Kulusevski gegen Chelsea wohl mit großer Wahrscheinlichkeit auch in der Startelf stehen, selbst wenn der brasilianische Neuzugang Richarlison nach seiner Rotsperre zurückkehrt.
Wohin kann es gehen für die Spurs?
Natürlich sollte man nach dem ersten Spieltag nicht Ektase ausbrechen, egal wie überzeugend die Vorstellung gewesen sein mag. Doch da die Spurs eben ohne Neuzugang ins Spiel gingen und damit Perisic, Bissouma, Richarlison und Co noch gar nicht starteten, kann man doch sehr hoffnungsvoll in die neue Saison gehen und optimistisch sein, dass der unter Antonio Conte eingeschlagene Weg weitergeführt wird.
Die Einzelkritik
Die Noten reichen von 1 (unterirdisch) bis 10 (Weltklasse) und entsprechen der subjektiven Einschätzung des Autors.
Hugo Lloris (7/10): Hatte wenig zu tun und war beim Gegentreffer machtlos, werte aber alle anderen Abschlüsse der Saints souverän ab.
Cristian Romero (6,5/10): Wie immer eine Bank in der Defensive der Spurs. Schaltete sich aber nicht so häufig wie sonst ins Offensivspiel ein und hatte bei einem überharten Einsteigen Glück, keine Karte bekommen zu haben.
Eric Dier (8/10): Sehr souveräne Vorstellung des Abwehrchefs, der seine Leistung mit seinem ersten Tor seit der Saison 18/19 krönte.
Ben Davies (6,5/10): Eher unauffällige Leistung des Walisers, der sich aber keine Fehler leistete und dort weitermachte, wo er in der vergangenen Saison aufgehört hat.
Emerson Royal (8/10): Sah beim Gegentor sehr unglücklich aus, machte aber sonst eine sehr gute Partie und war sogar an zwei der vier Tore direkt beteiligt.
Ryan Sessegnon (9/10): Fantastische Leistung des jungen Engländers, der sein erstes Premier League Tor für die Spurs erzielte und sogar noch ein zweites nachlegte, welches allerdings zurückgepfiffen wurde, weil er leicht im Abseits stand.
Rodrigo Bentancur (8/10): Seit dem Abgang von Mousa Dembélé strahlte kein Mittelfeldspieler bei den Spurs eine derartige Ruhe aus wie Rodrigo Bentancur. Zog wie immer die Fäden im Mittelfeld der Nordlondoner und war ein elementarer Grund, warum Southampton kaum ins Spiel kam
Pierre Emile Hojbjerg (7/10): Stand beim 1:0-Gegentor nicht perfekt und verpasste so den klärenden Kopfball, war sonst aber wie gewohnt brillant im Spiel ohne Ball und leitete den 4:1-Endstand mit einem großartigen Pass auf Emerson Royal ein.
Dejan Kulusevski (9/10): Wenn man in fast jeder Situation die richtige Entscheidung trifft und das Spiel mit einem Tor und einer Vorlage beendet, kann das nur eines heißen: MOTM
Son Heung-Min (7/10): Bereitete die Führung mit einer Flanke auf Eric Dier vor, war aber sonst nicht so gefährlich wie gewohnt. Hätte zudem nach einem Dribbling auf den völlig freistehenden Harry Kane ablegen müssen.
Harry Kane (7/10): Nicht die auffälligste Leistung des Superstars, der an keinem der vier Tore direkt beteiligt war, aber wie immer essenzieller Teil des Umschaltspiels der Spurs war und somit einige gefährliche Angriffe mit einleitete.
Ivan Perisic (6,5/10): Kam in der 66. Minute für den überragenden Sessegnon und macht einen sehr soliden Job auf der linken Außenbahn. Da die Spurs aber nach dem 4:1 einige Gänge runterschalteten, trat er kaum noch gefährlich in Erscheinung.
Clement Lenglet (keine Bewertung): Kam in der 86. Minute für Ben Davies.
Ives Bissouma (keine Bewertung): Kam in der 86. Minute für Rodrigo Bentancur.
Lucas Moura (keine Bewertung): Kam in der 86. Minute für Dejan Kulusevski.
Matt Doherty (keine Bewertung): Kam in 87. Minute für Emerson Royal.