Die Spurs haben am Sonntagnachmittag die Pflichtaufgabe im City Ground gemeistert und fahren einen 0:2-Auswärtssieg gegen Aufsteiger Nottingham Forest ein. Wie auch schon in den letzten Spielen ließ die Leistung der Spurs an der ein oder anderen Stelle dennoch zu wünschen übrig. Wir analysieren, was dahinter steckt.
Wie in unserer Spielvorschau schon vermutet schickte Antonio Conte gegen Forest eine im Vergleich zum 1:0-Heimsieg gegen die Wolves am letzten Wochenende unveränderte Startelf auf den Rasen. Ivan Perisic bekam erneut das Vertrauen auf der linken Außenverteidiger-Position, Neuzugänge Richarlison oder Bissouma mussten zunächst mit der Bank Vorlieb nehmen. Djed Spence, für den in den letzten beiden Spielen kein Platz im Kader war, saß immerhin auch wieder auf der Bank. Bei Nottingham Forest feierte Rekord-Neuzugang Morgan Gibbs-White sein Startelf-Debüt.
Unterhaltung für den neutralen Zuschauer
Forest startete forsch ins Spiel – Motivation und Wille merkte man den Hausherren definitiv an. Nach fünf Minuten zeigte sich Tottenham dann jedoch eiskalt. Kulusevski kam relativ glücklich an der Mittellinie in Ballbesitz, trug den Ball bis vor die Kante des gegnerischen Strafraums und legte dann gedankenschnell auf Harry Kane ab, der denn Ball zwar nicht sonderlich kräftig traf, aber gut platzierte, sodass Dean Henderson im Tor von Forest geschlagen war.
Nach zwei verhaltenen ersten Halbzeiten gegen Chelsea und die Wolves sowie dem Rückstand gegen Southhampton wirkte das frühe Führungstor der Spurs zunächst wie Balsam für die Seele der Fans. Die Freude währte jedoch nur kurz, denn Nottingham Forest übernahm in Folge des 1:0 mehr oder weniger das Ruder der Partie, lief die Spurs bei Ballverlusten aggressiv an und schien völlig unbeeindruckt von dem Rückstand. Anders als gegen Chelsea oder die Wolves war die Offensive der Spurs jedoch nicht komplett angemeldet: Nottinghams riskantes Pressing sorgte für die ein oder andere Umschaltmöglichkeit der Spurs. Diese wurden jedoch entweder nicht sauber ausgespielt wurden oder endeten in missglückten Abschlüssen.
So bot sich in der ersten Halbzeit ein für den neutralen Zuschauer unterhaltsames, für Spurs-Fans jedoch wenig begeisterndes Bild. Dank dem frühen Tor von Kane zur Pause zwar in Front, war die Bilanz (wieder einmal) die selbe: Zum wiederholten Mal hatte man nicht den Eindruck, dass die Spurs die Partie kontrollierten.
Fußball oder Volleyball?
Mit Beginn von Halbzeit zwei verbesserte sich auch die Leistung der Spurs merklich (erkennt ihr da langsam ein Muster?). Nottingham bewies weiter Leidenschaft, konnte jedoch die Intensität aus der ersten Hälfte nicht lange aufrechterhalten. In der 56. Minute hätte es eigentlich schon 2:0 stehen können, wenn Harry Kane nicht zum ersten Mal seit über vier Jahren in der Premier League vom Punkt die Nerven verloren hätte. Nachdem Forests Innenverteidiger Steve Cook mal kurzzeitig die Sportart wechselte und den Ball in Volleyball-Manier abwehrte, bekamen die Spurs einen Elfmeter zugesprochen. Manch ein Spurs-Fan forderte sogar die rote Karte für Cook, der mit dem Handspiel eine mehr oder weniger klare Torchance durch Kane vereitelte.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass man dem sonst so routinierten und sicheren Elfmeterschützen der Spurs Kane keinen Vorwurf machen kann. Auch wenn er schon platziertere Elfmeter geschossen hat, war der Versuch am Sonntag keinesfalls ein schlechter. Manchester United-Leihgabe Dean Henderson im Tor von Nottingham parierte hingegen einfach exzellent. Die Befürchtung, dass das Momentum nach dem verschossenen Elfmeter noch einmal in Richtung Nottingham schwingen könnte währte nur kurz. Die Mannschaft von Steve Cooper konnte nicht mehr allzu viel Zählbares anbieten.
Naughty Boy Richarlison
Den vergebenen Elfmeter machte Kane dann wenig später vergessen, als er nach wunderschöner Flanke von Richarlison den Ball zum 0:2 einnickte und das Spiel endgültig für die Spurs entschied. Richarlison, der zum dritten Mal in Folge eingewechselt wurde, bewies in kurzer Zeit auf dem Platz wieder einmal seine Klasse, sodass Antonio Conte vor den kommenden Partien gegen West Ham und Fulham vor einem echten Dilemma steht, wer in der Startaufstellung auflaufen soll. In der Pressekonferenz am Montag bestätigte der Italiener zumindest schonmal, dass Richarlison definitiv in einem der nächsten Spiele sein Startelf-Debut feiern wird.
Sein fußballerisches Können bewies Richarlison nicht nur mit der Traumflanke auf Kane. Gegen Ende des Spiels jonglierte der Brasilianer in der gegnerischen Hälfte seelenruhig mit dem Ball am Fuß, bevor er weiter passte. Die Quittung erhielt er mit einem harten Einsteigen von Brennan Johnson prompt. Mit seiner Aktion verursachte Tottenhams Offensivneuzugang in den letzten Tagen auch gleich einen gewaltigen Wirbel in den Medien, auf den der Brasilianer in gewohnt schlagfertiger Manier jedoch selbst antwortete.
Doch Grund zur Panik?
Neben der Erleichterung über den wichtigen Auswärtserfolg mischten sich nach dem Spiel auch Zweifel in die Gefühle einiger Spurs-Fans. Mehrfach war in den sozialen Medien zu lesen, dass der aktuelle Weg kein nachhaltiger sein kann, und dass der Ergebnisfußball der letzten Wochen langfristig so nicht funktionieren kann. In meiner Vorschau zum Spiel ging ich bereits kurz auf die ähnlichen Sorgen nach den Spielen gegen Chelsea und die Wolves ein. Damals schrieb ich: Kein Grund zur Panik. Und dabei bleibe ich.
Wir sind uns denke ich alle einig, dass die Spurs aktuell weit entfernt von ihrer bestmöglichen Verfassung sind. Das ist ein Problem, von dem ich ausgehe, dass Antonio Conte es mit den richtigen Worten, der richtigen Taktik und dem richtigen Coaching beheben kann. Es hapert aktuell noch auf einigen wichtigen Positionen: Son Heung-Min hat bislang noch Startschwierigkeiten, abgesehen von seinem Torinstinkt ist Harry Kane auch noch nicht der Spieler, der er zum Ende der letzten Saison war. Dass diese beiden Weltklasse-Spieler zurück in die Spur finden, steht denke ich außer Frage. Ich bin zuversichtlich, dass man sich Spiel für Spiel besser in die Saison finden kann, die Neuzugänge besser integrieren kann und dann auch über eine größere taktische Flexibilität verfügt.
Bis dahin bin ich froh und beeindruckt, über welche mentale Resistenz die Spurs aktuell verfügen. Denn die teils mageren Spiele der letzten Wochen sollten nicht darüber hinweg täuschen, dass ein solcher Ergebnisfußball keinesfalls ein Spaziergang ist. Dazu braucht es mentale Widerstandsfähigkeit, Effizienz vor dem Tor und eine solide Defensive – Dinge, die den Spurs in der Vergangenheit in den entscheidenen Momenten oft gefehlt haben.
Die Einzelkritik
Die Einzelnoten reichen von 1 (unterirdisch) bis 10 (Weltklasse) und entsprechen lediglich der subjektiven Einschätzung des Autors.
Lloris (8/10): Ein gutes Spiel von Tottenhams Kapitän. War da, wenn er gebraucht wurde und hielt die null.
Sánchez (7/10): Davinson Sanchez zeigt Woche für Woche, dass er den verletzten Romero souverän ersetzen kann. Seit Februar haben die Spurs kein Tor mehr kassiert, wenn er auf dem Platz stand. Im Spielaufbau leider klar limitiert.
Dier (6/10): Hatte streckenweise damit zu kämpfen, die Abwehrreihe zu organisieren. Kein schlechtes Spiel, aber auch nicht so gut wie sonst.
Davies (6/10): Unauffällig, wie immer. Was soll man zu dem Waliser eigentlich sonst sagen?! Machte seinen Job.
Royal (5/10): Der Brasilianer war nicht gut ins Spiel eingebunden, konnte auch offensiv kaum Akzente setzen.
Perisic (7/10): War in Halbzeit eins auch defensiv oft gefordert, lieferte trotzdem einige starke Flanken in den Strafraum.
Bentancur (5/10): Der Uruguayer konnte zuletzt nur eingeschränkt überzeugen. Für viele der Grund, warum es im Mittelfeld nicht läuft. Er könnte im nächsten Spiel durch Bissouma ersetzt werden.
Hojbjerg (6/10): Ein solides Spiel des dänischen Generals. Setzte auch ein paar offensive Akzente.
Kulusevski (6/10): Wenn auch nicht so gut wie gegen die Wolves machte Kulusevski dennoch ein ordentliches Spiel. Beim 1:0 mit schöner Vorarbeit, kurze Zeit später aber bei aussichtsreichem Konter kläglich.
Son (5/10): Man merkt Tottenhams Nummer 7 an, dass er es versucht. An der Einstellung mangelt es bei Heung-Min Son momentan nicht, er will nur einfach das Tor nicht treffen. Auch gegen Forest war der Südkoreaner kein Faktor.
Kane (7/10): Als Spielmacher konnte er diese Saison noch nicht glänzen, im Aufbauspiel manchmal nicht schnell genug. Vor dem Tor jedoch gewohnt eiskalt. Sicherte den Spurs mit zwei Treffern den Sieg.
Ab 74. Minute – Richarlison (7/10): Der quirlige Brasilianer belebt das Offensivspiel der Spurs merklich und bringt eine Attitüde auf den Platz, die der Mannschaft gut tut. Davon möchte man gerne mehr sehen. Wunderschöne Vorarbeit zum 2:0.