Zum Inhalt springen
Startseite » Blog » Glück im Unglück? – Spielbericht zur Niederlage gegen Brighton & Hove Albion

Glück im Unglück? – Spielbericht zur Niederlage gegen Brighton & Hove Albion

Tottenham Hotspur verliert zu Hause bitter und etwas überraschend mit 0:1 gegen Brighton & Hove Albion. In der frustrierenden Partie waren die Spurs viel zu harmlos und konnten Brightons kompakter Defensive und aggressivem Pressing wenig entgegensetzen. Man kann hoffen, dass die Niederlage ein Weckruf für die Mannschaft ist.

Es kommt im Fußball oft anders als man denkt, gerade wenn Tottenham Hotspur spielt. Während ich beim Auswärtsspiel gegen Brighton & Hove Albion am 16. März eine enge, schwierige Partie erwartete, war ich bei der gestrigen Partie relativ zuversichtlich, dass die Spurs ihre Siegesserie fortsetzen können. Am Ende kam es umgekehrt. Im ersten Ligamatch konnte das Team um Graham Potter nie wirklich gefährlich werden, die Spurs gewannen relativ komfortabel mit 0:2 nach Treffern durch Romero und Kane. Beim gestrigen Heimspiel hingegen machte uns der Gegner von der Südküste ab der ersten Minute enorme Schwierigkeiten und nach einem späten Tor durch Trossard lautete das Ergebnis folgerichtig 0:1.

Die erste Halbzeit war gekennzeichnet durch Mittelfeldgeplänkel. Beiden Mannschaften mangelte es an Großchancen, aber Brighton gelangen immerhin zwei Schüsse aufs Tor. Bemerkenswert war die hohe Aggressivität der Teams. Die Seagulls schienen sich Aston Villas Vorgehen zum Vorbild genommen zu haben, das Aufbauspiel der Spurs durch Fouls und härtere Tackles zu unterbinden. Diese Taktik war erneut erfolgreich, die Tottenham-Spieler schienen oft verunsichert. Die Kehrseite dieser Methode wurde kurz vorm Halbzeitpfiff offensichtlich, als der quirlige Mwepu Hojbjerg foulte und dafür eigentlich seine zweite gelbe Karte hätte sehen sollen. Schiedsrichter Craig Dawson war anderer Meinung. Die Fehlentscheidung geht in Ordnung, da Kulusevski einige Minuten zuvor seinen Arm nach Cucurella geschwungen hatte und dafür vom Platz gestellte hätte werden können.

Die zweite Halbzeit gestaltete sich etwas ereignisreicher. Tottenham Hotspur kam zu einigen Chancen. Insbesondere die scharfe Hereingabe durch Hojbjerg auf Reguilón in der 75. Minute hätte beinahe zum Treffer geführt. Doch von der offensiven Schlagkraft der letzten Wochen war weiterhin wenig zu sehen. Im Gegenzug gelangte auch Brighton immer wieder mit gefährlichen Aktionen vor das Tor von Hugo Lloris. In der 88. Minute schlug dann Leandro Trossard erst einen hübschen Pass auf Danny Welbeck, um den Ball kurz darauf im Strafraum der Spurs zurückzuerhalten und mit dem Außenrist an Lloris vorbei in die linke Torecke zu schieben. Bis dahin war die Verteidigung der Lilywhites einigermaßen sicher. In dieser Szene sah sie hingegen schlecht aus. Emerson half nicht genug mit, Romero stolperte und Dier wurde durch eine Finte des belgischen Linksaußen stehen gelassen.

Tottenham Hotspur wirkte das gesamte Spiel über phlegmatisch und unsicher. Das Aufbauspiel war behäbig, die Pässe zu langsam, die Spieler zu statisch. Im Mittelfeld zeigten sich Bentancur und Hojbjerg unfähig, Kane und Son einzubinden. Die Passmap verdeutlicht, dass der Ball vor allem in der Abwehrreihe hin- und hergepasst wurde. Vom Spielgeschehen relativ unbeeinflusst stehen Son und Kane in der Passkarte da wie einsame Inseln. Nach neunzig Minuten hatte Kane gerade einmal 28 Ballberührungen.

Dass die gestrige Partie eher an die Ära Nuno Espírito Santos erinnert und weniger an die fulminanten Auftritte der letzten Wochen, ist vor allem dem exzellenten Auftreten Brightons geschuldet. Graham Potters Team gelang es auf beeindruckende Weise, Räume zu decken und so die für Contes Spielweise wichtigen eingeübten Schemata zu neutralisieren. Die Kombination aus hohem Pressing und einer Überzahl im Mittelfeld unterband die Passwege übers Zentrum. In dieser Situation müsste das Spiel über die Flügel gesucht werden. Leider strahlten weder Reguilón noch Emerson sonderliche Gefahr aus. Die langen Bälle Diers und Romeros waren meist so ungenau, dass sie von Lewis Dunk einfach geklärt werden konnten. Hinzu kamen die kleinen Tätlichkeiten der Seagulls und ein ausgeprägtes Zeitspiel, sodass der Spielfluss behindert wurde.

Conte war in seiner Pressekonferenz nach dem Spiel voller Lob für Brighton. Es sei ihnen sehr gut gelungen, die Räume zu schließen. Zugleich hätten es die Spurs ihren Gegnern zusätzlich einfach gemacht, weil sie mit dem Ball viel zu langsam gewesen seien. Die Seagulls mögen zuletzt in einem Formtief gewesen sein, doch bereits das Match gegen Arsenal am vorigen Spieltag hatte das Potential des Teams gezeigt. Es bleibt zu spekulieren, ob die Spieler der Spurs etwas zu siegesgewiss waren und den Gegner unterschätzten. Bereits in der ersten Halbzeit gegen Aston Villa waren die Lilywhites völlig überfordert und konnten Lloris danken, keinen Gegentreffer erhalten zu haben. Vielleicht hat das Team durch die gestrige Niederlage (wieder) verstanden, dass weiterhin jede Partie volle Konzentration und harte Arbeit benötigt. Dann wäre der Ausrutscher ein blessing in disguise. Es ist zu erwarten, dass Conte in der kommenden Partie manche taktische und personelle Veränderungen vornimmt.

Dass die Pleite einerseits weniger schmerzhaft war als nach Abpfiff gedacht, liegt natürlich auch an der erneuten Niederlage der Gunners in Southampton. Arsenal verpasste damit die Möglichkeit, punktgleich auf die Spurs aufzuschließen. Andererseits hätte Tottenham mit einem Sieg sechs Punkte auf die Verfolger vorweisen können. Das wäre für den Kampf um die Champions-League-Qualifikation ein zufrieden stellender Vorsprung gewesen. Jetzt ist hingegen das nächste Spiel gegen den FC Brentford enorm bedeutsam geworden. Leider wartet mit der Mannschaft von Thomas Frank ein aktuell starker Gegner, der insbesondere durch Christian Eriksen getragen imponierende Leistungen zeigt.

Einzelkritik

Die Einzelnoten reichen von 1 (unterirdisch) bis 10 (Weltklasse) und entsprechen lediglich der subjektiven Einschätzung des Autors.

Lloris (6,5/10): Hatte im Grund kaum zu tun und konnte beim Gegentor durch Trossard wenig ausrichten. Wirkte manchmal wieder unsicher mit dem Ball am Fuß.

Davies (5/10): Offensiv nicht zu sehen. Auch defensiv instabil, verlor den Ball einige Mal in gefährlichen Situationen nahe des Strafraums.

Dier (5/10): Wusste wenig mit dem Ball anzufangen, wirkte lethargisch und unkonzentriert. Die Hälfte seiner langen Bälle fand kein Ziel. Sah auch gegen Trossard nicht gut aus.

Romero (5,5/10): Deutlich weniger im Angriff zu sehen gewesen als üblich. Defensiv zwar über weite Strecken solide, verstolperte er den Ball in der 89. Minute und ermöglichte so Brightons Tor. Auch seine langen Pässe waren unterirdisch, nur 5 von 13 waren erfolgreich.

Reguilón (4/10): Sehr schwacher Auftritt. War im Grunde gar nicht zu sehen, bot nach vorne nichts an. Hat den Ball als Wingback kein einziges Mal nach vorne getragen. Nur 63% seiner Pässe fanden einen Mitspieler. Wird gegen Brentford sicherlich nicht mehr in der Startelf stehen.

Bentancur (5/10): Ein guter Schussversuch, der knapp an Sánchez‘ Tor vorbeiflog. War im Mittelfeld überfordert, seine Pressings gingen fast immer ins Leere. Spielte im gesamten Spiel nur einen einzigen progressiven Pass.

Hojbjerg (7/10): Ein guter Auftritt des Dänen. Versuchte seine Mitspieler anzutreiben, was misslang. War entsprechend genervt. Spielte den Ball immerhin ab und zu nach vorne und war an einer der gefährlichsten Situationen im Spiel beteiligt, als er den Pass auf Reguilón spielte.

Emerson (4,5/10): Dohertys Ausfall war deutlich zu bemerken. Offensiv ging fast gar nichts, er verlangsamte das Spiel und war insgesamt wenig eingebunden. Allerdings defensiv recht sicher.

Son (5/10): Wenig zu sehen, bekam allerdings auch kaum den Ball. An fast allen gefährlichen Situationen beteiligt – davon gab es aber auch nur wenige.

Kane (5/10): Wirkte ebenfalls völlig neben der Spur. Viele schlampige Ballannahmen. Konnte sein gefährliches Passspiel nicht entfalten. Bereitete kurz vor Schluss die größte Chance des Spiels vor, Bergwijn schoss jedoch am Tor vorbei.

Kulusevski (4/10): Enttäuschender Auftritt. Nach überragenden Leistungen der letzten Wochen gegen Brighton völlig abgemeldet. Hatte Glück, für seine Aktion gegen Cucurella nicht des Platzes verwiesen zu werden.

Lucas (3/10): Kam in der 64. Minute für Kulusevski. Lief wie wild herum, verlor gleich acht Mal den Ball und brachte nur einen (!) von fünf (!!) versuchten Pässen erfolgreich an seine Mitspieler.

Winks (4,5/10): Wurde in der 72. Minute für Bentancur eingewechselt. Sollte für etwas Frische sorgen. War zwar recht passsicher, insgesamt aber viel zu wenig zu sehen und lieferte nichts in der Offensive.

Bergwijn (4/10): Kam in der 88. Minute für Son aufs Feld. Machte einen lebendigen Eindruck, vergab aber die größte Chance des Spiels. Hätte treffen müssen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert